Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg
Laudatio von Prof. Dr. Wulf Herzogenrath
Direktor der Abteilung Bildende Kunst der Akademie der Künste Berlin
Am 26. September 2012

Gerade waren die letzten Tage einer Ausstellung mit Arbeiten von Jannis Kounellis sowie der amerikanischen Fotografin Judith Joy Ross. Es entstand eine wundervolle Verbindung ihrer Schwarz-weißen Portraitserien im großen Saal mit den Arbeiten von Jannis Kounellis im Kreuzgang. Für die Preisverleihung jetzt ein leeres Haus – aber leer gibt es seit John Cage´s epochalem Werk 4´33“ seit nunmehr 60 Jahren nicht. Ab 14. Oktober folgen hier unter dem Titel „Heute.Malerei“ zehn spannende Positionen der Malerei.

Als Anette Laabs vor 11 Jahren nach Magdeburg kam, fand sie ein Haus vor, in dem ausschließlich die figürliche Bildhauerei im Zentrum der Betrachtung stand. Nachdem zu Beginn der 1990er Jahre vor allem Klostergeschichte und ein sehr disparates Programm zwischen engagierten Kunstausstellungen, für die der Sammlungskurator Uwe Gellner verantwortlich zeichnete, und vor allem Übernahmen aus kleineren Institutionen im Westen Deutschlands das Programm bestimmten, hatte der damalige Leiter Jürgen Fitschen ein ausschließlich rückwärtsgewandtes Programm im Bereich der figürlichen Skulptur entwickelt. Als die Leitung des Museums ausgeschrieben wurde (übrigens damals bereits verantwortlich Dr. Koch!! – WIE ICH GELERNT HABE) war irgendwie klar, dass man etwas anderes brauchte, was das sein konnte, wusste man allerdings NOCH nicht. Ob die Bildende Kunst oder doch eher das Baudenkmal im Mittelpunkt stehen sollte, war unklar. Es wurde eine Bewerberin mit Konzept gewählt – das zeigt die Offenheit, die man der Zukunft des Museums entgegenbrachte – unterdrückte auch die notwendigen Gedanken der finanziellen Ausstattung.

Also ideale Bedingungen für einen inhaltlichen Neubeginn, und Annegret Laabs war jung und mutig genug gewesen (33 Jahre), einfach anzufangen und Hürden gar nicht zu sehen, bzw. sie nicht zu ernst zu nehmen. Sie entwickelte Pläne für den Um- und Ausbau des Museums, die notwendige Sanierung maroder Substanz, und was ebenso wichtig war: ihr war gleich klar, dass eine Veränderung des Sammlungs- und Ausstellungsprofils Not tat. Die Finanzierbarkeit dieser Vorhaben stand immer in den Sternen, aber Sterne scheinen manchmal – zumindest in Gedanken – auch zum Greifen nahe.

Zehn Jahre mühevolle Klein- und Überzeugungsarbeit und eine gehörige Portion Glück, denn ohne die Mittel aus dem Konjunkturprogramm hätte die Kommune es nie vermocht, die Finanzierung aufzubringen. Parallel zu den Vorstellungen von einem notwendigen Umbau fiel es etwas leichter, das Programm zu entwickeln und dem Museum nun endlich den Stand einzuräumen, den es als Kunstmuseum einer Landeshauptstadt! haben muss. Es schien in Vergessenheit geraten zu sein, dass Magdeburg einst eine bedeutende, der Größe und Bedeutung der Stadt angemesseneKunstsammlung besaß. Dass diese im II. Weltkrieg vernichtet wurde, und die Tatsache, dass es lange Jahre eine DDR gab, sind die einzigen Gründe dafür, dass sich heute die Kunstsammlungen in Magdeburg von denen anderer gleichgroßer Städte unterscheiden. Deshalb, und das betont mit Recht unsere Preisträgerin seit zehn Jahren immer und immer wieder, kann es keine Beschränkung auf Regionales, Nationales oder gar bestimmte Kunstgattungen geben. Dies Konzept und seine zielstrebige, intelligente Realisierung mit wirkungsvoller Vermittlung an die Bürger ist der Hauptgrund, weshalb wir heute hier versammelt sind.

Zehn Jahre sind lang zu gleich kurz – mir scheint, inzwischen haben es auch alle Verantwortlichen in der Stadt und im Land begriffen. Nur manchmal wird, so ganz von außen, aus dem tiefen Westen der Republik die Frage gestellt, weshalb dort nicht, wie es sich gehört, bei unserer alten Vergangenheit bleiben und schön brav das Klischee vom zurückgebliebenen Osten bedienen – so Johanna di Blasi in einem Artikel in Die Zeit anlässlich unserer Neueröffnung im Februar.

Zu Recht waren Annegret Laabs und ihre Mitarbeiter im Museum wütend, aber nicht nur wir, sondern (was uns wiederum freute) auch Bürger der Stadt. Es gibt eigentlich einen zentralen Punkt, den Annegret Laabs nunmehr umtreibt, und das ist die finanzielle Ausstattung dessen, was geschaffen wurde. Hier wurde mit sehr wenig Geld (3,5 Mio. Euro) im Verhältnis zu anderen gleich großen oder gleich bedeutenden Museumsumbauten sehr viel erreicht und auch kein zusätzlicher Neubau geschaffen, der die Betriebskosten in die Höhe treiben würde. Mit sehr kleiner personeller Ausstattung wurde ein Sammlungs- und Ausstellungsprogramm entwickelt, von dem nicht nur ich behaupte, es steht einer Landeshauptstadt gut zu Gesicht, und es hat nationale, ja manchmal sogar internationale Wirkung und Ausstrahlung. Das kleine Team besteht aus der Leitung, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, einem Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit, der die Museumspädagogik ebenso betreut, einer Sekretärin, die gleichzeitig die Sachbearbeitung des Haushalts bewerkstelligt. Das war immer zu wenig, wird aber in Zukunft kaum ausreichen, um ein adäquates Programm aufrecht zu erhalten. Der Etat des Museums ist so gering, dass gerade noch 5.000 EUR für Sammlungs- und Ausstellungsarbeit übrig bleiben. Dies ist vor allem deshalb tragisch, weil man damit kaum noch Fördergelder einwerben kann, da der Eigenmittelanteil nicht mehr stimmt (zum Beispiel bei der Bundeskulturstiftung). Fazit: trotz der Freude über das Erreichte bleibt die große Unsicherheit für die Zukunft des Museums und man kann den Verantwortlichen nur ans Herz legen, hier Abhilfe zu schaffen.

Um hier etwas Abhilfe zu schaffen und die erstaunliche Leistung von Annegret Laabs und ihrem kleinen Team in die Zukunft zu führen, hilft hoffentlich mein Vorschlag, diesen Preis heute und hier zu vergeben. Ich freue mich auf die nächsten Besuche in Magdeburg und werde öfters hier eine kleine Pause einlegen, wie ich es vielfach mit Wolfsburg gemacht habe, dort ist der Etat das 100fache oder so ähnlich – und trotzdem entwickelt sich hier in Magdeburg etwas Originelles, Identitätstiftendes und Nachhaltiges für die Stadt, die Region, das Land und für uns alle in Deutschland. Mit dem nochmaligen Dank an die hochherzigen Stifter des Preises, das Ehepaar Heinz und Brigitte Schirnig, gratuliere ich der Stadt zu diesem Museum und der Kollegin zu diesem Preis – er sei eine Aufmunterung für alle, diesen Weg weiter zu gehen!